Dennis' Radiotipps

Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Nach der Weichspülung und Durchformatierung der deutschen Radiowellen seit Ende der 1990er Jahre nach den Prinzipien 'weniger Aufwand - mehr Gewinn' und 'bloß keinem wehtun, der Hörer könnte umschalten' verschwanden nach und nach hörenswerte Rundfunksendungen und ganze Sender, die in früheren Jahren vorbildliches, unterhaltsames Programm machten. Sie nerven uns seit geraumer Zeit mit 'News', die ohne Relevanz sind, 'Verkehrscentern', wo durch Hintergrundlärm der Eindruck von Kompetenz vermittelt werden sollen (?) und schließlich mit dem 'langweiligsten der 80er, ausgenudeltsten der 90er und dem blödesten Weichspülscheiß von Heute'.

Scheinbar alle Sender scheinen infiziert zu sein. Man hat aus eigenem Interesse immer eine CD o.ä. in Reichweite, um nicht immer wiederkehrenden leeren Worthülsen und 'Supermegahits', die man vor 4 Wochen schon nicht mehr hören konnte, ausgeliefert zu sein. Doch halt! Eine von unzähligen, gleichklingenden Hitradios umzingelte, kleine Gruppe von Radiosendungen leistet dem Feind in Form des inhaltslosen AC-Format Widerstand - oder versucht es wenigstens.

Ich möchte Euch an dieser Stelle ein paar Radiosendungen empfehlen, die man noch einschalten kann, wo Musik abseits der 200-Titel-Rotation läuft oder bei denen anstatt von Doof-Gewinnspielen gute Unterhaltung durch Moderationspersönlichkeiten stattfindet. Wird laufend ergänzt/aktualisiert.

SenderTips / Sendezeit
Das "Junge Radio" des WDR. Die wichtigsten Informationen, Jugendthemen, progressive Musik, aber auch viele Wiederholungen der aktuellen Titel.
  • Mi, 23-24: Kassettendeck - Promis stellen eine Stunde Musik zusammen und erzählen, was sie mit den Songs verbinden. Keine revolutionäre Idee, aber mit dem richtigen Gast gibt auch interessante Musikauswahlen, die nicht an Rotationen gebunden sind.

  • meist letzter Donnerstag im Monat, 21-22: 1LIVE Plan B Plattenstreit: drei Musikredakteure bringen ihre Lieblingsplatten des Monats mit und erklären die Vorzüge. Die jeweils anderen beiden versuchen, das zu widerlegen. Unterhaltsamer Klartext.

  • Di-Sa 01-02: Eine große Lücke, die Jürgen Domian hinterläßt ;-)

Der Absteiger des Jahres 2016... in den 00er Jahren mein Tagesbegleiter, jetzt Informationen in kleinen Häppchen und die Musik besteht im Tagesprogramm zu großen Teilen aus nervigem Dance-Pop aus den Charts und deutschsprachiger Heulsusen-Musik, erscheint manchmal eintöniger als bei den Lokalradios. Sie hätten tolle Leute, aber machen zu wenig daraus. Sehr schade! Empfehlenswert ist noch:
  • So-Fr, 20-23:30: WDR2 Pop! - Buntes Musikmagazin, u.a. mit Mike Litt. Einzige Zeit am Tag, in der man die Musik auf WDR2 ertragen kann. Hier laufen auch einige alternativere Sachen und hin und wieder werden lokale Bands aus NRW vorgestellt.

Vom Hausfrauen-Schlagersender zum Hit-Radio für das ältere Semester. Spielt tagsüber allerdings fast nur Standardmaterial, welches man doch schon mal gehört hat. Bleibt mir persönlich etwas zu seicht und allgemein fast ohne informatives Wort.
  • Samstag, 18-20: Scheinwerfer - Das ist die aktuelle Reinkarnation der WDR2-Zugabe, die bis zum Anfang der 10er dort am späten Samstagabend lief, also Satire, Comedy und Musik dazwischen. Immer noch nett zu hören und die Musik auf WDR4 ist ja immerhin nicht ganz so nervig wie aktuell auf WDR2.

Das wortlastigste Radio des WDR. Aber nicht Nachrichten alle viertel Stunde, wie es andere Rundfunkanstalten machen, sondern über den Tag verteilt verschiedene Sendungen zu Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Call-ins usw. - und eben aktuellem Geschehen. Dazu die wohl beste Musik im WDR, leider nur in homöopathischen Dosen, denn das Wort spielt ja die Hauptrolle. Wer WDR2-Morgenmagazin und "Zwischen Rhein und Weser" (zu recht) vermisst, sollte keine Berührungsängste zum Labersender haben und sich vorsichtig hier rein tasten!
  • Mo-Fr, 6-9:45: Morgenecho - Na, habt Ihr die Morningshows der Popsender auch satt? Versucht es mal hiermit. Es gibt wenig Entspannteres für den Weg zur Arbeit. Man muss sich nämlich nicht über übertrieben gute Laune und miese Musik ärgern. Interviews, Korrespontenberichte und Gespräche zum aktuellen Weltgeschehen, dazu ca. 3-4 Musiktitel pro Stunde aus dem Spektrum nicht-mainstreamiger Soft-Pop, aber auch Indie-Sachen.

  • Mo-Fr, 17-17:45: Westblick, das Landesmagazin - Alles, was in Nordrhein-Westfalen heute wichtig ist. Musik wie beim Morgenecho.

Ehemalige Infowelle und nun aktueller Tagesbegleiter des hr mit einem hauptsächlich auf Oldies und 80er-Hits basierenden Musikformat. Klingt in etwa wie hr3 vor 10 Jahren mit Songs aus dem 60ern und 70ern dabei. Und das ist nicht das schlechteste! Außerdem laufen hin und wieder auch Neuerscheinungen, die bei den Standard-Hitdudlern nicht gespielt werden. Hat auch viele aktuelle Beiträge, Informationen und Rubriken zu Service und Musikneuerscheinungen im Programm.
  • Sa, 09-12: Reinke am Samstag - Eine der Stimmen des hr, der seit 40 Jahren dort Musiksendungen moderiert, stellt Neuerscheinungen vor und bringt Raritäten wieder in Erinnerung. Die Radio-Erfahrung merkt man! Bringt natürlich auch Pop, aber ebenso sehr gerne für das Radio seltere Sachen wie Blues oder Jazziges.

  • So, 12-15: Mixtape - Inzwischen meine Standard-Sendung während meiner Radtouren, wo immer es geht: Hörerwünsche und die von den Hörern bestbewertesten Songs in drei Stunden. Eine der wenigen Wunschsendung, die dieses Prädikat wirklich verdient, manchmal mit echten Raritäten - die Hörer von hr1 haben definitiv Geschmack!

  • So, 19-23: Song-Connection - ...und brauchen auch ein breites Musikwissen. Die Idee: Jeder Hörerwunsch muss sich auf den vorherigen beziehen oder ein Stichwort musikalisch weiterspinnen. Um die Ecke-gedachtes Pop-Radio mit Köpfchen.

  • Unregelmäßig, So 12-19: Lass Knacken! - Die früheren hr3-Moderatoren Werner Reinke und Thomas Koschwitz treffen sich unregelmäßig (seit 2013 bisher vier mal) sonntags nachmittag zu 7 Stunden Sendung - mit jeder Stunde wechselnden Hörern als Gäste, die ihre Schallplatten mitbringen und sich darüber mit den Moderatoren unterhalten. Und es werden auch nur Schallplatten gespielt in dieser Zeit. Um den besonderen Klang noch zu unterstreichen, wird während dieser Zeit das Soundprocessing des Senders ausgeschaltet. Eine zugegeben schrullige, aber doch großartige Radiosendung, die von ganz unterschiedlicher Musik lebt und wie großes Radio von früher klingt und auch ist. Nicht verpassen!

Gibt es sowas wie das Alternativradio in Deutschland, ist es FluxFM aus Berlin, wohlgemerkt ein Privatsender. Stellt viel neue Musik vor, ist gitarren- und elektrolastig, bringt aber auch mal Älteres und Beiträge zu Aktuellem und Kultur. Eine Sendung zu empfehlen wäre zu wenig. Einfach ein guter Tagesbegleiter, wie man ihn inzwischen suchen muss.
Mein allerliebstes NRW-Campusradio mit einer, wie sich das gehört, eigenwilligen wie einzigartigen Musikmischung. Manche Sachen sind komisch, aber es kommt immer mal wieder ein klasse Song hinterher. Film-Einspieler dazwischen seit Jahren als Markenzeichen und in der Morgensendung z.B. hab ich schonmal Wortbeiträge gehört, da kann sich eine WDR2-"Morningshow" eine Scheibe von abschneiden. Stellvertretend:
  • 1. Do im Monat, 18-19: Hertz an Hertz - Eine extrem gut gemachte, tw. böse Satireshow zu aktuellen Themen. Für einen no-budget-Sender: spitze.

Die arme Kirchenmaus rbb zeigt den anderen ARD-Anstalten, wie eine sogenannte tagesbegleitende Pop-Welle bei den öffentlich-rechtlichen klingen sollte. Zwar auch Hits, aber auch viele neue Songs und Musik aus dem Indiebereich, abends Spezialsendungen zu bestimmten Themen, dazu hinreichend Wort von gestandenen Journalisten, ernsthafte Ansprache und keine dummen Gewinnspiele.
  • So, 9-12: Zwei auf eins - Die beiden Moderatoren Sven Oswald und Daniel Finger bearbeiten ein wöchentlich wechselndes Thema oder Begriff - sowohl inhaltlich wie auch musikalisch. Eine schöne Idee, die oft für unterhaltsame Radiomomente sorgt, z.B. mit skurrilen Interview und um die Ecke ausgesuchten Musiktiteln.

  • So, 14-16: Hörbar Rust - Auf mehreren ARD-Popwellen laufen (v.a. sonntags) Talksendungen. Während manch andere wie ein auf Formatradio zurechtgestutzte Sprachblöcke daherkommt, unterhält sich die sympathische wie authentische Bettina Rust gut vorbereitet 2 Stunden mit Fokus auf den Gesprächspartner, und das schon seit einigen Jahren. Die Musikauswahl kommt dabei wie selbstverständlich vom Gast. So sollte eine solche Sendung sein.

  • So, 16-18: Die blaue Stunde - Moderator Serdar Somuncu, bekannt als Satiriker und TV-Klartextsprecher, und auf diesem Sendeplatz Nachfolger von Böhmermann/Schulz (siehe unten), plaudert zwei Stunden über das aktuelle Zeitgeschehen und bringt dazu eigene Musikauswahlen mit.

Bayern 3 ist in etwa so, wie die meisten anderen Pop- und Serviceradios der ARD: tagsüber Hitradio und abends etwas abwechslungsreicher mit Spezialsendungen.
  • Mo-Do 21-24: Matuschke: Ich hatte zu Anfang dieser Rubrik bereits Matthias Mattuschiks Sonntagssendung bei WDR2 gelobt. Hier macht er inzwischen weiter, bei seinem urspünglichen Stammsender. Der Moderator mit Fangemeinde spielt auch hier andere, tw. eigene Musik und plaudert aus dem Nähkästchen. Sehr sympathisch sein Anspruch: "Ich stelle mir bildlich vor, dass meinetwegen jeden Abend kurz nach acht irgendwo in Bayern eine Glotze aus dem Fenster geworfen wird!"

Das in Bedeutungslosigkeit vor sich hin dümpelnde Skyradio aus Kassel wurde im August 2008 zu RadioBOB!. Musikfarbe ist seitdem handgemachte Musik unterschiedlicher Coleur (Klassiker, aber auch neueres). Eine gut hörbare Musikmischung, wo man sich einiges traut. Leider nur teilweise live moderiert.
  • Mo-Fr, 18-20: Der WunschBOB! - Hörer können sich hier ohne Limits Titel per Telefon und Blog auf der Webseite wünschen. Macht auch nicht Halt vor härteren, längeren, nicht-radiotypischen Titeln aus der Rockmusik der letzten 40 Jahre.
  • Mo, 21-24: BOBs harte Saite - Letztes Jahr schrieb ich noch, dass es die lange harte Nacht auf hr3 wohl nicht mehr lange geben wird - ich sollte recht behalten. Gut, wenn das im öffentlich-rechtlichen Radio nicht mehr darstellbar ist: BOB füllt die Lücke zumindest rein von der Musik her, und zwar jede Woche.

Ich weiß, ist eigentlich kein Radio, aber: Spotify hat Anfang 2016 Jan Böhmermann und Olli Schulz davon überzeugen können, Ihre Radio-Sendung für die Streamingplattform zu produzieren.
  • immer sonntags neu zum Streamen: Fest und Flauschig - Moderator Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz unterhalten sich über verschiedene Sachen. Auf RadioEins schon kultig, dann von Spotify quasi aufgekauft. Inzwischen sowas wie mein Pflichtprogramm für die montägliche Fahrt zur Arbeit. Während des Gesprächs füllen die beiden immer mal wieder eine Spotify-Playlist mit dem Namen "Fidi und Bumsi" mit Wunschsongs....
    Es soll ja kein Geheimnis sein, dass man die Sendung auch ohne Spotify-Konto zum Download bekommen kann... (gibt mindestens zwei Anbieter - einfach mal googeln!)